11. Zusammenfassung zum Lernschritt
- Ein Nachforschen zeigt, dass der Begriff der statistischen Repräsentativität keineswegs in Wissenschaft und Öffentlichkeit keineswegs einheitlich und stimmig gebraucht wird. Es gibt verschiedene Bedeutungskonnotation, die sich ergänzen, überlagern und oft auch widersprechen.
- Die Vorstellung der Repräsentativität als gerechte, der "Wirklichkeit" entsprechende Verteilung in einem Sample widerspricht u.U. beispielsweise dem Arche Noah-Modell der Repräsentativität. Beide wiederum stehen in Konfrontation mit der Vorstellung der Repräsentativität als das Typische, da das Gerechtigkeitsmodell gerade auch nach dem Nichttypischen und das Arche-Noah Modell nach dem möglichst Umfassenden sucht. Diese Vorstellungen haben aber alle, je nach Forschungsrage ihre Rechtfertigung. Soll der Begriff der "Repräsentativität" deshalb am besten aufgegeben werden?
Rainer Schnell, Paul Hiller und Elke Esser schreiben in Ihrem Methodenlehrbuch:
- "Die Vielfalt und Verschwommenheit der verschiedenen Definitionen bewirkt, dass die blosse Feststellung, bei einer gegeben Stichprobe handele es sich um eine "repräsentative Stichprobe" oder um eine "Repräsentativbefragung" nichts aussagt; erst recht handelt es sich um kein exakt definiertes Gütekriterium" (287).
Das Kind mit dem Bade ausschütten?
Den Begriff deshalb fallen zulassen,
bedeutet aber auch, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Denn der Begriff hat sich
etabliert als eine Brücke, mit der de facto die Sozialwissenschaften und die breitere
Öffentlichkeit miteinander kommunizieren und als real funktionierendes Konzept gilt es ihn
ernst zu nehmen. Allerdings empfiehlt es sich genau zu achten, was denn damit kommuniziert
zu werden, um als Forscher oder Forscherin nicht missverstanden oder aber
berechtigterweise als unseriös zu gelten.
Eine Möglichkeit, um die
„verfilzten“ Bedeutungskonnotationen (Desrosières) von statistischer Repräsentativität
begreifen zu können, um mit ihnen umgehen zu können, ist die Vergegenwärtigung der
wissenschaftsgeschichtlichen Prozesse, die zu seiner Herausbildung geführt haben,
Problemfelder, die auch heute noch wirksam sind und die verstanden werden sollten.
Mit anderen Worten geagt, es soll gefragt werden:
- Welche Fragestellungen und Forschungsprobleme haben dazu geführt, dass Stichproben eingeführt wurden und parallel dazu von Repräsentativität gesprochen wurde?
- Was hat dazu geführt, dass die Vorstellung der statistischen Stichprobe schlussendlich übernommen wird?
- Welche anderen Untersuchungs-Konzepte und Begriffe hat die Praxis und Vorstellung des repräsentativen Samplings ersetzt?