2. Was heisst 'Repräsentativität'?
Bei dem sowohl in den Sozialwissenschaften wie auch in der Öffentlichkeit gebrauchte Begriff "Repräsentativität" handelt es sich allerdings ein typischer Fall, was die Wissenschaftsforschung "Kreolosierung" nennt, die Vermengung der Bedeutungen aus verschiedenen Sprachen: im vorliegenden Fall vermischen sich Wissenschaftssprache und Alltagssprache. Doch wo Rauch ist, ist auch Feuer: denn es lassen sich über die Missverständnisse, die mit dem Begriff einher gehen, auch eine sozialwissenschaftliche Problematik genauer betrachten.
Woher kommt das Wort?
- Der Begriff "Repräsentativität" leitet sich vom Lateinischen her, von repraesentare, was sich mit "vergegenwärtigen, vorführen, darstellen" übersetzen liesse. Interessanterweise handelt es sich um eine Kombination von praesantare , also darstellen, und dem Präfix re-, also "wieder darstellen", was eigentlich schon da ist
- Über das Französische ist der lateinische Begriff in den allgemeinen Sprachgebrauch eingewandert: neben der substantivierten Form "Repräsentant" als "offizieller Vertreter (z.b. eines voles oder einer Firma", auch Abgeordneter. Repräsentativ hiess im Französischen aber auch "stellvertretend, ehrenvoll, würdig".
- Es existieren folglich verschiedene Bedeutungsaspekte von "Repräsentativität".
Repräsentativität im öffentlichen Gebrauch bezieht sich meist nicht auf Statistik
Eine Untersuchung des Gebrauchs des Begriffs der Repräsentativität in der NZZ hat ergeben (Arnold 2001), dass die Begriffe repräsentativ und Repräsentativität keineswegs immer im Zusammenhang mit statistischen Stichproben verwendet werden. Am weitaus am häufigsten werden die Begriffe in den breiteren Bereichen der Politik und der Kultur gebraucht, aber natürlich im Sport.
- In der Politik wird von einer repräsentiven Vertretung des Volkes im Parlament gesprochen, bezüglich der Frage der Quotenregelungen bei der Gleichstellung der Frauen. Im ökonomischen Zusammenhang erscheint "repräsentativ" in Verbindung mit Spitzengehälter von Manager oder in der Frage, inwiefern das Gebaren bestimmter Aktienindices repräsentativ sei für die wirtschaftliche Entwicklung.
- In der Kunst wird die Frage diskutiert, inwiefern ein Bild "repräsentativ" sei für eine bestimmte Periode eines Malers, oder gar einer bestimmten Epoche, ob die Werkphasen in einem Band über eines Dichters repräsentativ vertreten seien. In der Architektur wird gefragt, ob ein bestimmtes Gebäude denn wirklich repräsentativ sei, im Sinne einen Status aufwiest. Insofern können auch Automodelle gleichzeitig "sportlich und repräsentativ" sein, aber auch solide und repräsentativ.
- Selbstverständlich wird der Begriff auch im Sport verwendet, etwa wenn es über ein Skispringen heisst, einer sei "...aus verschiedenen Luken gesprungen und darum nicht repräsentativ".
"Repräsentativ" wird als nicht nur im Sinne der numerischen Abbildung gebraucht, sondern im Sinne eines Statusmarkierens und im Sinne des "Geltens" für etwas. Insofern kann im breiteren Sprachgebrauch, wiederum statistisch gesprochen, ein Einzelnes für ein ganz grosses Ganzes "repräsentativ" sein (ein Werk für eine Epoche). Die Sozialwissenschaften gebrauchen also mit ihrem Begriff, der wie ein Vexierbild ganz verschiedene Bedeutungen aufweisen kann, bei dem aber keine klar definiert ist.